nicht jeder, der einen Menschen trifft,
begegnet ihm auch

Die Zeit - eine Herausforderung

2018-02-14

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Langsam fahren ist anstrengend …
So hörte ich mich sprechen und musste lachen.
Ich bewege mich meistens so, als müsse ich mich beeilen, weil ich das Ziel aus den Augen verlieren könnte. Oder auch so, als ob das Ziel verschwinden würde, wenn ich nicht schnell genug ankomme. Ganz und gar zeitgemäß. Schnell, schneller am Schnellsten.
Steige ich ins Auto ein, geht’s los. An jeder Ampel tripple ich mit meinem Fuß. Oder klopfe mit den Fingern rhythmisch auf dem Lenkrad herum. Fährt der Vordermann bei Grün nicht sofort los, schaffe ich es kaum den Hup-Impuls zu unterdrücken.

Neulich fuhr ich zu meiner Mutter. Es stürmte, war kalt und nass. Könnte glatt sein. Ich fuhr verlangsamt. Vorsichtig. Das war anstrengend.
Manche Menschen sagen „Langsam ist schneller“ Unvorstellbar für mich. Doch wohin treibt es mich? Was muss ich so schnell erledigen? Wohin fliegen die Stunden? Weshalb machen sie nicht einfach Stopp vor meiner Tür und warten geduldig bis ich fertig bin? Womit fertig. Ja da beginnt mein Dilemma. Fertig gibt es nicht. Nicht bei mir. Kaum ist das eine erledigt, bewältigt, öffnen sich schon weitere Türen und Fenster. Manchmal kommt der Gedanke, dass ich der Zeit hinterherrenne. Absurd ist das. Zeit ist doch etwas völlig abstraktes. Wer hat sie nochmal erfunden? Seit wann gibt es die Zeit? Zuerst war da der Raum. Bevor es die Zeit gab. Wie wäre das. Einen Raum betreten ohne Begriffe, die es nur für die Zeit gibt. Ohne Eile. Ohne Anfang oder Ende. Einfach Sein im Raum.

Vor einigen Jahren kam ein Praktikant ins Büro, in dem ich arbeitete. Ich fragte ihn, ob er etwas Bestimmtes möchte oder ob er einfach nur sein wolle. Das begeisterte ihn sehr. Ab dem Moment betrat er oft das Büro und sagte, ich möchte einfach nur sein und setzte sich.
Vor vielen Jahren machte ich einen Thai Chi Kurs. Ein ganzes langes Wochenende. Wofür? Um ein Gefühl für Langsamkeit zu bekommen. Ob es gelang? Nö. Ich war am letzten Tag heilfroh, wieder in meinem Tempo nach Hause zu fahren.
Heute gibt es mehr und mehr Angebote für die Langsamkeit. Entschleunigung. Kurse, in denen es nur darum geht Ruhe und Stille zu finden und zu ertragen. Ist das der Zeitgeist? Ha. Back to the roots.
Der Sport bietet ein verständliches Beispiel für die Schnelligkeit. Wettkämpfe. Sieger. Wer kann die Zeit noch toppen? Irgendwann ist Schluss. Ich möchte selbst entscheiden, wann für mich Schluss ist, mit der Eile und dem ständigen der Zeit hinterherrennen. Sie ist erbarmungslos. Sie bleibt niemals stehen. Sie ist immer gleich schnell. Eine Uhr bleibt mal stehen. Die Zeit nicht.
Zeit soll eine Orientierung sein. Wofür? Für Takt. Struktur. Etwas beginnt und etwas endet. Um das festzustellen braucht man die Zeit? Für Absprachen. Für Regeln. Normen. Es gibt Menschen, die haben die Zeit im Gefühl. Wie fühlt sich das an?

Kategorie: Geschichten
Tags: besinnlich